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SIE (die Hexe): Er hat's von Anfang an gewusst, obwohl ich nicht beurteilen kann, wie viel er tatsächlich davon verstanden hat und was er für Inszenierung hielt, schließlich besuchte ich damals gerade eine Schauspielschule. Als wir uns an Mittwinter zum zweiten Mal trafen, fiel ihm nur der Mistelzweig auf und die Tatsache, dass ich an den Brauch mit dem Kuss darunter hänge. Ihn habe ich an dem Abend aber nicht geküsst - nur so nebenbei erwähnt.

Ansonsten verläuft es wie in einer gut funktionierenden Beziehung, die einem psychologischen Ratgeben entsprungen sein könnte: "Ich respektiere, das du einen laß-mich-mit-Religionskram-in-Ruhe-Meinung vertrittst und wegen gewisser Erlebnisse empfindlich reagierst, wenn ich dich frage, ob du beim nächsten Fest mitfeiern möchtest. Du akzeptierst, dass ich gläubig bin und daran festhalte, dass es nach dem Leben weitergeht und wir nicht nur eine Ansammlung von Zellen und Hormonen sind."

Zauberei, das ist ja Hokuspokus, aber wenn etwas Wichtiges ansteht, was außerhalb seines Einflusses liegt, stellt sich das etwas anders dar. "Schatz, du darfst den ganzen Nachmittag zaubern. Hauptsache, ich kriege den Job!" oder "Wird Zeit, dass du eine Raumklärung durchführst, damit diese dicke Luft hier raus geht!" oder gar 2du hast ein Ouija-Brett gekauft? Aber benutz das bitte nicht in unserer Wohnung, ich will nicht, dass du böse Geister anlockst!" Solche Aussagen strafen die vorigen Worte dann doch Lügen.  

Als ich in dazu brachte, Mabon mit meiner Gruppe zu feiern, lief das schon ganz gut, obwohl er sich weigerte mehr zu tun, als im Kreis zu sitzen. Ich finde es traurig, wenn man die Feste nicht mit der Person feiern kann, die man liebt, und so haben wir uns auf 4 Feiertage pro Jahr geeinigt.  Samhain habe ich dann so gehalten, dass es ihm keine Probleme bereiten würde - und diesmal beteiligte Mann sich sogar am Ritual. Zu Yule hat er Reißaus genommen, als es darum ging heidnische Lieder zu üben - und dann erwische ich ihn beim Trällern von "Deck the halls...". Auf Beltane freut er sich immerhin jetzt schon. "Lass uns den Großen Ritus ausprobieren!"
Bei Prüfungsangst muss mein Lieblingskristall herhalten, aber seiner kleinen Schwester darf ich trotzdem kein heidnisches Buch schenken (obwohl sie das super interessant findet, eine Hexe zur Schwägerin zu haben). Und wenn wir keinen Parkplatz finden, waren's wieder mal meine Parkplatzelfen, die zu langsam waren.

Die Moral von der Geschichte ist, dass man zu Beginn leichter sagt, dass man Verständnis hat. Immerhin kann er bereits den Leuten erklären, was Wicca ist und schenkt mir Bücher von Starhawk und Joanne K. Rowling. Seit dem Film "Harry Potter" sind alle Menschen Muggle, ich auch, weil ich mit meinem Besen ja nicht fliegen kann. Aber einen Zauberstab will er, damit ich die Wohnung schnell aufräumen kann. Ich hab jetzt aber ein anderes Machtmittel: "Schatz, heute räumst du auf, oder ich erzähl dir, wie's im zweiten Band von Harry Potter weiter geht!".

ER: Also wie soll das sein, mit einer Hexe zu leben? Fledermausflügel im Küchenschrank, Salbei an den Fenstern und den Knoblauch unter dem Bett nicht zu vergessen. Schlimm genug, dass sie den ins Essen mischt, aber auch noch unterm Bett?

Nein. So ist das nicht ganz. Du wirst zwar bombardiert mit all diesem mystischen Zeug, aber wenn du stark bist, hältst du das aus. Besonders wenn sie mal wieder keinen für irgendwelche Rituale hat und du herhalten musst. Dann findest du dich plötzlich in einem "Schutzkreis" von vier Kerzen wieder, sie rennt mit ihrem Messer (das einen speziellen Namen hat, den ich immer wieder vergesse) und ruft die Himmelsrichtungen und Elemente an. Osten, Westen Norden, Süden, Luft, Erde Wasser und Feuer. Wo bitte ist im Süden Feuer? ich kann keines sehen, aber ich sollte sagen, dass ich mich beruflich ab und zu im freien orientieren muss. Wenn ich gewusst hätte, dass man die Himmelsrichtungen einfach rufen und nach dem Weg fragen kann, dann hätte ich nie eine Karte gebraucht auf den Märschen im Wald.

Dann kommt das Beste: Sie sitzt da vor 33 1/3 Kerzen und versucht aus ihrem selbst geschriebenen Buch zu lesen. Die Nase auf dem Papier des Buches der Schatten (das heißt wohl so, weil es kaum Licht gibt und damit die Schatten an der Wand ziemlich lang werden). Da wundert es kaum, wenn sie Kopfschmerzen kriegt und ich die Hand auflegen soll. Energie übertragen soll ich! Wo bitte ist die Steckdose?

Ansonsten ist meine kleine Hexe und Ehefrau wie jeder andere Mensch auch. Sie räumt nicht gern auf und schimpft mit mir, wenn ich meine Schuhe nicht ausziehe, bevor ich ins Hexenhaus komme. Wenn wir uns einen Parkplatz herbeisehnen, weil wir schon dreimal um den Block gefahren sind, dann ruft sie nach Elfen.

Auch okay, andere schicken ein Stoßgebet. Elfen, Trolle, Himmelsrichtungen, andere nennen so etwas gesunde Phantasie. sie glaubt eben an etwas und ich nicht. Und ich denke, jeder sollte an das glauben, woran er glauben will. Wir sind schließlich ein freies Land mit freien Gedanken, das es auch zulässt jetzt an Bier zu denken.

Prost und bis dann (hoffentlich hat sie nichts beigemischt, damit es mir nicht schmecken soll!)

 

© by Ishtar und Sealoo erschienen in der Hex & Co. Beltane 2002

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