"Hexe Sybillina berät sie gerne in allen Lebensfragen, rufen sie mich an unter 0190…."

Bei der Frage ob Hexen für ihr Handwerk Geld verlangen sollen, dürfen oder können muss zunächst einmal festgelegt werden, von welchem Handwerk genau gesprochen wird.
Verschiedene Tätigkeiten wie Seelenunterstützung (Seelsorge), Kartenlegen, Rituale durchführen, Lehren, Ritualartikel herstellen und verkaufen können zum Handwerk einer Hexe dazugezählt werden. Vielen dieser Tätigkeiten liegt zu Grunde, dass eine gewisse Beratung stattfindet. Gerade auch die so genannte spirituelle Beratung überschneidet sich oft mit der Lebensberatung und mehrere Hexen sind als Lebens- oder Spirituelleberater Haupt- oder Nebenberuflich tätig. Genau diesen Aspekt möchte ich in diesem Artikel herausarbeiten.

Aufgrund  einiger Erlebnisse habe ich eine sehr harte Meinung was Hexen angeht, die beruflich beratend tätig sein wollen. Wahrscheinlich trete ich einigen Leute damit auf die Füße, weshalb ich nochmals betonen möchte, dass es sich hierbei um meine persönliche Meinung handelt.

Leider sind meine Erfahrungen mit beratenden Hexen nicht sonderlich gut (ansonsten hätte ich wohl eine andere Meinung) und obwohl ich keinen derartigen Dienst anbiete, wurde ich wegen meiner Homepage doch schon des Öfteren angeschrieben oder angerufen und musste oft Scherben aufsammeln.
Da war z.B. einmal ein Geschäftsmann, der diverse „Geschenke“ mit ekligem Inhalt (hauptsächlich Maden und so) erhalten hatte. Eine Bekannte von ihm meinte daraufhin, es handle sich um einen Vodoofluch und sie vollzog – natürlich gegen Bezahlung – ein Ritual zu seinem Schutze. Die angeblichen Feinde waren stärker, noch ein Ritual musste hin und so ging es immer weiter. Nach ein paar Emails erhielt ich Bilder von den „Geschenken“. Nachdem ich Rücksprache mit ein paar anderen Hexen und Magiern gehalten hatte um meine Vermutung zu bestätigen, kam definitiv heraus, dass die Symbole offensichtlich nur Eindruck schinden sollten. Sie stellen nicht wirklich einen Fluch dar, konnten aber einen magisch nicht bewanderten Menschen ganz schön erschrecken. Der Verdacht lag nahe, dass die Hexe selbst die Päckchen abgeliefert hatte, war sie es doch, die behauptete, welch großer Fluch dahinter stehe.

Bei einer ehemaligen Bekannten konnte ich zusehen, wie sie sich zur Geistheilerin entwickelte. Als ich sie kennen lernte hatte sie das Energieheilen gerade mal in einem Wochenendworkshop gelernt. (Dieser war natürlich viel besser als Reiki, hatte ein Trademark und kostete weit über 1000 €!). [Wir wissen ja wie das ist: Je teurer der Kurs, desto mehr ist er wert und niemand gibt ja gerne zu, über’s Ohr gehauen worden sein – auch vor sich selbst nicht. Also rechtfertigen wir seinen Inhalt. Kurz, macht was teuer genug und es wird toll sein.] Bald öffneten sich dann ihre Kanäle und ein Jahr später war sie ein Channeling-Medium, vollkommen davon überzeugt etwas ganz Tolles für die Menschheit zu tun. Sie wollte so sehr anderen Menschen helfen – ob die das nun wollten oder nicht – dass sie an der letzten Party zu der ich sie einlud gefragt oder ungefragt Lösungen zu nicht vorhandenen Problemen, oder gar karmische Probleme channelte. Wenn ich mich umschaute, sah ich leider eine Frau, die ihr eigenes Leben nicht im Griff hatte, von diversen physischen und psychosomatischen Krankheiten und einem Berg von Schulden umzingelt, aber nicht fähig ihr Geld zu managen, verbrachte sie immer noch ihre Nachmittage in teuren Restaurants. Meiner Meinung nach flüchtete sie immer stärker in ihre Welt des Channelings, in der sie anderen Leuten durch ihre „Gabe“ half. Je schlechter es ihr „privat“ ging, desto stärker wurde interessanterweise ihr spiritueller Kontakt. Sie schloss sich einer „seriösen“ Firma an, die in div. Zeitschriften inserierte, so dass Hilfesuchende bei ihr anrufen konnten. Es hat mich geschockt, als sie mir erzählte wie viel Geld sie für ein Telefonat von ca. 15 Minuten nahm, nämlich zwischen 60 -100 €! Das ist übrigens fast genauso viel oder mehr wie ein ausgebildeter psychologischer Psychotherapeut, (der ein fünfjähriges Studium plus eine drei jährige Therapieverfahrensausbildung hat) in einer Stunde verdient*. Nachdem sie mir Namen und Wohnorte von Klienten und natürlich die dazugehörigen Geschichten erzählt hatte, wusste ich, was ich von ihrer beruflichen Diskretion zu halten hatte.

Interessant war auch die Geschichte eines Mannes der mich anschrieb weil er wissen wollte warum gewisse Dinge in einem Ritual gemacht werden müssten. Nach einer Weile erfuhr ich, dass seine Ehefrau sich kürzlich von ihm getrennt hatte. Tatsächlich hat er ca. 1500 € (!) innerhalb einer Woche bei einer Hexe gelassen, die ihm Karten legte und Rituale auftrug oder selbst Rituale für ihn ausführte, damit seine Frau zu ihm zurückkehrte. Natürlich sah die Hexe in der Zukunft immer, dass sie wieder zusammenkämen aber noch ein Hindernis da war. Gegen Ende einer Woche, in der er jeden Tag mind. 1 Ritual durchgeführt hatte (er hatte vorher nie etwas mit Magie zu tun gehabt), fing er an, Geister und alles Mögliche zu sehen. Es blieb mir keine andere Möglichkeit als  ihm dringend zu raten einen Psychologen zu kontaktieren und erst einmal komplett die Finger komplett von der Magie zu lassen, damit seine Situation nicht noch mehr aus den Fugen geriet.

Diese drei Beispiele hier als kleine Highlights (die Fälle wurden zur Anonymisierung leicht verändert). Ich habe für die Ratschläge kein Geld bekommen und auch keines verlangt. Wenn ich aber teilweise an die Summen denke, die diese Leute irgendwelchen „Kommerzhexen“ gegeben haben - die sie im Grunde genommen teilweise in Krisensituationen nur ausgenutzt haben – fühlte ich mich auch etwas ausgenutzt und verärgert. (Hey, ich habe eine überaus lange Wunschliste bei Amazon.de!) Sicherlich kann man sagen, die Hexen hätten ihnen nur ihre Wünsche erfüllt und nur die Dummen werden ausgenutzt, dennoch stimmt es für mich einfach nicht. Ich finde es ist in Ordnung für gewisse Dienste Geld zu verlangen – solange dies in Maßen ist und vor allem, wenn man auch eine entsprechende Ausbildung vorzuweisen hat und verantwortungsvoll damit umgeht.
Meiner Meinung nach genügen Lebenserfahrung und gesunder Menschenverstand eben nicht um Menschen professionell zu beraten.  Die meisten von uns kochen jeden Tag, manche sogar mehrmals und für große Familien, einige sicherlich auch außerordentlich gut – aber sind wir deshalb gleich Köche?
Von einem Chirurgen erwarten wir eine Ausbildung und seine Erfahrung als Metzger würde uns wohl nicht reichen – wenn es aber um unsere Seele und Leben geht geben wir uns mit weniger zufrieden?

Ich persönlich finde es sehr gut und sogar außerordentlich wichtig, dass Hexen ihre Dienste anbieten, denn sie werden für bestimmte Angelegenheit gebraucht und haben bei bestimmten Problemen und Situationen eine andere oder zusätzliche Sicht der Dinge die sie einsetzen können. Tatsächlich würde ich mir wünschen, dass mehr Hexen als Psychologen, Therapeuten oder Heilpraktiker arbeiten. Andererseits erwarte ich tatsächlich eine gewisse Ausbildung,  vor allem für Hexen, die beruflich beratend tätig sind. Das hat meiner Meinung nach auch etwas mit Respekt dem Klienten gegenüber zu tun. Die fundiertere Ausbildung ist für mich Unterscheidungskriterium zwischen Laie und Profi.
Natürlich garantiert eine Ausbildung nicht, dass die entsprechenden Personen auch gut in ihrem Job sind (auch nicht jeder ausgebildete Koch ist gut), aber immerhin haben sie sich tiefgehender dafür befasst. Die in gewissen Kreisen aktuelle Diskussion über Zertifikate für spirituelle Berater halte ich für komplette Geldmacherei. Es gibt in Deutschland bereits ein derartiges Zertifikat: es nennt sich den Heilpraktiker für Psychotherapie (oder Psycho-Heilpraktiker). Meiner Meinung nach für professionel beratend arbeitende Hexen eine Mindestanforderung. Je nach Institut dauert diese Ausbildung ca.1 Jahr und kann auch nebenberuflich absolviert werden. Für jemanden, der seine Beruf-ung ernst nimmt also wirklich keine unüberwindbare Hürde. Besser wäre es sogar, noch ein zusätzliches Therapie-Verfahren zu lernen. Sicherlich kann man dieses immer noch in „hexischeren“ Sachen integrieren.
Scharlatane wie die oben in den Fallbeispielen genannten schaden meiner Meinung nach mit ihrem Tun der ganzen Gemeinschaft, indem sie dafür sorgen, dass die Stimmen, die Hexen als unseriös, ausnützend oder nicht ernst zu nehmen betiteln, zu recht bestätigt werden.

Die Bezeichnung „Berater“ ist in Deutschland übrigens nicht geschützt. Jeder „Schokokeksguru“ kann sich folglich Berater nennen.
Genau genommen geht man davon aus, dass diese Leute nur „gesunde“ Menschen „behandeln“. Aber wie soll jemand ohne Ausbildung die Grenzen zwischen „noch normal“ oder „pathologisch“ erkennen können? Sicherlich sind die Menschen mit psychischen Störungen Prozentual gesehen selten, aber jeder von uns kann auch einmal in eine Ausnahmesituation gelangen, und leider ist meine Erfahrung, dass gerade dann die Menschen am häufigsten von solchen „Kommerzhexen“ ausgenutzt werden und so sogar noch größeren Schaden erleiden können. Wenn ich z.B. als unbedarfter „Berater“ mit einem Psychotiker eine Visualisierung oder eine Entspannungsübung, die in Richtung Trance geht, durchführe, kann ich ihn direkt in eine Psychose treiben.
Für mich hat eine Ausbildung auch damit zu tun, seine Grenzen und die Grenzen der Mittel die einem momentan zur Verfügung stehen zu kennen. Die Antwort „Die Göttin wird mir schon sagen, von wem ich die Finger lassen soll“ halte ich schlicht und ergreifend für unverantwortlich.

Ich will der Magie, den Ritualen und den Kräutern nicht ihre Wirksamkeit absprechen im Gegenteil, gerade weil ich sie für sehr wirksam halte kann eine falsche Handhabung ziemlichen Schaden anrichten. Naturheilmethoden in die so genannte Schulmedizin zu integrieren (und ich kann auch manchmal so einige „magische“ Praktiken in einer anderen Verkleidung wieder erkennen). Aber ich bin der Meinung, dass derjenige der diese ausführt sich mit den Störungen oder Krankheiten und den Gegenmaßnahmen oder seinen Grenzen auskennen sollte. Sowohl die Priester als auch die Schamanen frühere Zeiten – an denen wir uns ja so oft orientieren – haben eine langjährige Ausbildung hinter sich gehabt und nicht mal kurz ein paar Workshops gemacht und schillernde Zertifikate und Titel dafür erhalten.
Derartiges Wissen dient nicht nur dem Schutz der Klienten, sondern auch dem eigenen Schutz. Ein sehr simples Beispiel: Ich gebe einer Freundin wegen Kopfschmerzen eine Aspirin. Die Freundin fällt von der Treppe, verletzt sich und es gibt Komplikationen aufgrund der blutverdünnenden Wirkung des Medikaments. Rutscht ihr im Krankenhaus heraus, dass sie die Tablette von mir hat, wird nachgefragt ob ich denn dazu berechtigt sei, Medikamente auszugeben (sprich Arzt oder Apotheker bin). Wenn nicht, kann es sein, dass ihre Versicherung die Krankenhauskosten nicht übernimmt und meine Freundin mich verklagen muss, damit meine Versicherung die Kosten trägt. Eigentlich müsste ich mir in dem Moment, in dem meine Freundin die Tablette von mir bekommt, quittieren lassen, dass sie sich der möglichen Risiken bewusst ist.
Mit dem Ratschlag, Johanniskrauttee zu trinken um eine getrübte Stimmung aufzuhellen, kann ich eine Person in Teufels Küche bringen, nämlich dann, wenn sie noch andere Medikamente nimmt, mit denen Johanniskraut interagiert oder deren Wirkung zunichte macht. Viele Kräuter können auch einen Abort begünstigen, und oft habe ich in Hexenbüchern schöne Rezepte ohne Warnhinweise gesehen. Gerade weil die Naturheilmittel wirken sollten sie mit dem nötigen Respekt behandelt werden. Und bei psychischen Techniken gilt das gleiche.

Leider trägt auch der Bezeichnungswirrwarr ist in diesem Bereich auch nicht grad viel zur Klarheit bei (und ich hab selbst mehrmals nachfragen müssen und hoffe es jetzt endlich verstanden zu haben).

Wie gesagt, Berater oder Coach kann sich jeder „Schokokeksguru“ nennen. Und jeder darf „Hilfe“ und „Beratung“ anbieten. Da heißt es einfach etwas auf die Ausbildung zu achten und sich nicht von schönen – zweideutigen Ausdrücken täuschen zu lassen. Beispiel: „Nach meinem Psychologiestudium habe ich das Energiearbeiten nach Methode XY gelernt“. (Natürlich versteht man darunter das Studium sei abgeschlossen. Es steht aber nicht explizit, also kann es sein, dass entsprechende Person nur grad mal 1 Semester eingeschrieben war. )

Therapeut ist ebenso kein geschützter Begriff und so sollte man auf die entsprechende Spezifizierung achten. Gerade vor Titeln wie Lichttherapeut, Energietherapeut, Chakratherapeut, Schamanistiktherapeut etc. sollte man etwas hellhörig werden.

Psychotherapeut hingegen ist ein geschützter Begriff. Nur jemand der a) ein abgeschlossenes Hochschulstidium in Medizin oder Psychologie vorzuweisen hat und b) eine anerkannte psychotherapeutische Zusatzausbildung mit Approbation (Berufszulassung) hat darf sich so nennen. Ein Heilpraktiker darf sich nicht Psychotherapeut nennen.
Dahingegen dürfen Heilpraktiker wie auch Ärzte und Psychologen Psychotherapie anbieten. Auch ein Psychologe ohne Zusatzausbildung darf Therapie anbieten.
Wer Psychotherapeutisch tätig sein möchte muss also den Psycho-Heilpraktiker absolvieren.
Zusätzlich gibt es diverse Therapieverfahren die man erlernen kann. Gerade beim Heilpraktiker ist darauf zu achten, dass dieser eines gelernt hat. 
Sobald die Begriffe Heilung, Behandlung und Therapie benutzt werden, wird nicht mehr davon ausgegangen, dass man nur „gesunde“ Menschen betreut und wer keine entsprechende Ausbildung vorzuweisen hat kann gesetzliche Probleme erhalten (wobei gerade die Begriffe Heilung und Behandlung relativ kritisch zu sehen sind, weil sie heute sehr oft von Leuten „missbraucht“ werden die eben keine Ausbildung vorzuweisen haben.

Fazit: Gerade Hauptberuflich Beratende Hexen sollten sich um eine Ausbildung bemühen und den potentiellen Klienten kann man nur ans Herz legen „auf das Kleingedruckte“ zu achten.



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(*) Der Satz variiert je nachdem bei welcher Krankenkasse abgerechnet wird, welches Verfahren angewendet und ob man in der Stadt oder auf dem Land arbeitet und wie bekannt man ist.

 

Artikel erschienen in der Lughnasadh Ausgabe 2005 der Hex & Co.

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